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Verschiedene Gesichtszüge Mariens

Predigt von Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand beim BR-Fernsehgottesdienst in der Wallfahrtskirche Schmerlenbach am 1. Mai 2006

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

Am fränkischen Untermain und darüber hinaus gibt es eine ganz bekannte Redewendung: „Du machst ein Gesicht wie die Muttergottes von Schmerlenbach“. Damit sind Menschen gemeint, die eher bedrückt dreinschauen – eben so wie der Gesichtsausdruck der Madonna des Gnadenbildes, der Schmerz und Trauer widerspiegelt. Aber wer Schmerlenbach kennt, der weiß, dass es in dieser Kirche drei Mariendarstellungen gibt – und jede von ihnen drückt etwas aus, was für unser Christsein wichtig ist. Ich lade sie ein, die Sprache der Bilder ins Leben hinein zu übersetzen.

1. Das frühere Kloster Schmerlenbach trug auch den Beinamen „Maria zur Sonne“. Daran erinnert die Tonfigur mit dem Strahlenkreuz. Sie entstand um das Jahr 1400. Diese Art der Darstellung wird auch als „schöne Madonna“ bezeichnet. Es wäre jedoch falsch, in diesem Bild nur ein menschliches Schönheitsideal zu sehen. Die Kunstepoche der Gotik wollte vielmehr eine Ahnung davon vermitteln, dass in Maria auf unverstellte Weise die Liebe Gottes zum Ausdruck kommt – weil sie bereit war, Mutter Jesu zu werden und so das Kommen Gottes in unsere Welt zu ermöglichen. Man könnte es auch so sagen: Wer für Jesus in seinem Leben Platz hat, von dem strahlt etwas aus, durch solche Menschen wird die Welt heller und schöner. Diese Mariendarstellung mit dem innig-erfüllten Gesichtsausdruck will uns Mut machen, Jesus immer wieder neu ins Leben einzulassen, damit sich seine Liebe auswirken kann. Durch gotterfüllte Menschen wird die Welt nicht automatisch besser, aber liebenswerter.

2. Scheinbar im Kontrast dazu steht das Gnadenbild, das etwa hundert Jahre später entstanden ist. Aus dem strahlenden Antlitz ist ein schmerzerfülltes Gesicht geworden. Dieser Gegensatz wird nur dann nicht zum Widerspruch, wenn man die innere Verbindung sieht: Im Leiden und Sterben Jesu, das hier zum Ausdruck kommt, besteht Gottes Liebe zur Welt ihre äußerste Bewährungsprobe – und Maria ist dabei, so die Botschaft dieses Bildes, unsere Bewährungshelferin. Was ist denn hier überhaupt dargestellt? Maria weint. Es wäre falsch, Tränen als Zeichen der Schwäche zu sehen. Ein Mensch, der in seinem Leid nicht mehr weinen kann, ist schlimm dran. Das Bild der Schmerzensmutter mit den übergroßen Tränen will uns einladen: „Komm her und weine dich aus! Hier wirst du verstanden.“ Das haben gläubige Menschen aller Jahrhunderte gespürt; die schmerzhafte Muttergottes ist die häufigste Mariendarstellung in Franken und Bayern. Vor diesem Bild keimt eine wichtige Ahnung auf: Weinen kann eine Linderung des Leidens bringen, denn Tränen lösen, was im Menschen verkrampft und verhärtet ist. Kann sich bei mir im Blick auf Jesus, der für Gottes Liebe sogar den Tod als äußerste Herausforderung angenommen hat, und in der Begegnung mit seiner Mutter, die das Leid vom Herzen her kennt, auch Verhärtetes im Leben lösen, so dass andere Menschen durch mein Glaubenszeugnis Halt und Hilfe finden?

3. Verhärtetes kann sich durch Mitleiden lösen – diese Erfahrung vermittelt zugleich schon eine Vorahnung von dem, was Erlösung besagt. Darauf verweist uns das Altarbild der Wallfahrtskirche vom Ende des 17. Jahrhunderts; es zeigt die Aufnahme Mariens in den Himmel. Die Darstellung will uns sagen: Der Weg Marias vermittelt uns die Gewissheit, dass es über den Tod hinaus eine bleibende Lebensgemeinschaft mit Gott gibt, dass unsere Welt nicht für die Vernichtung, sondern für die Vollendung bestimmt ist und dass all das, was wir mit Leib und Seele an Gutem geschaffen haben, in Gottes Ewigkeit bleibenden Wert besitzt. An Maria wird deutlich, was Gott aus Menschen macht, die sich auf ihn einlassen und mitmachen. Das heutige Hochfest Marias als der Schutzfrau von Bayern wäre daher missverstanden, wenn man es bloß als regionales religiöses Heimatfest sehen würde – es macht vielmehr etwas Grundlegendes im Glauben deutlich: dass für uns alle eine Heimat im Himmel bereit ist. An der Art und Weise, wie wir Freude ausstrahlen und mit dem Leid im Leben umgehen, entscheidet sich freilich, ob hier und jetzt schon etwas von dieser Zukunftsperspektive deutlich wird.

„Du machst ein Gesicht wie die Muttergottes von Schmerlenbach“ – an den Mariendarstellungen in dieser kleinen Wallfahrtskirche kommt zum Ausdruck, dass dieses Gesicht Mariens ganz verschiedene Züge annehmen kann. Sie hängen aber nicht von momentanen Stimmungen ab, sondern sind allesamt Zeugnisse der Zuwendung Gottes, die uns in frohen und in schweren Stunden und sogar über den Tod hinaus Halt und Hoffnung geben will. Ich wünsche uns allen, dass die Botschaft dieser Bilder unsere Herzen erreicht und sie neu für Gott und die Menschen öffnet. Amen.

(1806/0677)