Im vergangenen Jahr fiel der Neujahrsempfang der Stadt Würzburg wegen der erschütternden Tsunami-Katastrophe aus. Deshalb konnte ich mich – frisch in die Schuhe meines Vorgängers geschlüpft – auch noch nicht in die ehrenvolle Neujahrsrede, die Bischof Paul-Werner so oft mit Bravour vorgetragen hatte, einbringen. Dankbar bin ich ihm, dass er mich zur Zeit bei einer schon von mir zugesagten Feier vertritt. Er bedauert sehr, dass er nicht hier sein kann und lässt Sie alle herzlich grüßen.
So darf ich an den Anfang des Grußwortes meinen Dank setzen, den ich stellvertretend für alle Gäste aussprechen möchte: Dank an Frau Oberbürgermeisterin Dr. Pia Beckmann, an Frau Bürgermeisterin Schäfer und Herrn Bürgermeister Dr. Bauer und alle Ratsmitglieder, an alle die sich haupt- und teilberuflich, freiwillig und ehrenamtlich für das Wohl der Bürgerschaft eingesetzt haben. Es fällt mir nicht schwer, diese kommunale Verantwortung zu würdigen, da ich über Herrn Bürgermeister Dr. Bauer, der ja zugleich auch Finanzdirektor des Bistums Würzburg ist, viel Gutes über die Aktivitäten in dieser Stadt erfahre.
Dieser Monat und dieses Jahr ist durch einen Geburtstag gekennzeichnet, der sich am 27. Januar zum 250. Mal jährt. Alle Welt spricht davon – und warum sollten ausgerechnet wir Würzburger darauf verzichten?
Keine Sorge, ich rekurriere jetzt nicht einfach auf Wolfgang Amadeus Mozarts Kaffeestündchen in Würzburg, das er im Jahre 1790 auf der Fahrt zur Königskrönung Leopolds II. in Frankfurt, hier in Würzburg wahrgenommen hatte. Beileibe nicht! Hätte er doch besser einen Schoppen guten Frankenweins zu sich genommen – und er wäre öfters wiedergekommen oder gar geblieben! Vielleicht kannte er aber auch folgenden Spruch: „Becherrand und Lippen sind Korallenklippen, an denen auch die gescheiten Schiffer scheitern“. Dann hatte er möglicherweise die Sorge, dass die Freude am Wein seine genialen Kompositionsfähigkeiten überflügeln könnten.
Wahrscheinlich aber hätte es ihm, dem durch manche Krankheiten Geplagten, aber auch gut getan, einen Schoppen mehr zu trinken – so wie in einem Weinlokal in Sommerach zu lesen ist: „Frankenweine – Krankenweine heißt’s im Lande auf und ab. Weingestählte Frankenbeine gehen nicht so früh zum Grab.“
Mozart ist allenthalben in Würzburg gegenwärtig: Mozart-Schule und Mozart-Festwochen, Mozart-Arkaden und Mozart im Theater, Mozart in der Musikhochschule und auf dem Klavier von Bischof Paul-Werner. Wie schön, wenn auch im Rathaus immer so mozärtlich miteinander umgegangen werden könnte!
Dabei hat die Oberbürgermeisterin, Frau Dr. Pia Beckmann, alle Voraussetzungen dazu. Ich weiß allerdings nicht, welche Mozart-Opern sie besonders liebt.
Ist es Die Gärtnerin aus Liebe? Oder doch eher Bastien und Bastienne? Liebt sie mehr die Hochzeit des Figaro oder Die Entführung aus dem Serail? Lässt sie sich mehr von Don Giovanni oder von der Zauberflöte betören? Sicher ist, dass sie sich nicht von cosi fan tutte – zu Deutsch: So machen sie’s alle – beeinflussen lässt, denn sie hat als erste CSU-Oberbürgermeisterin in Würzburg bewiesen, dass sie ihren eigenen Stil und auch politischen Weg zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt gefunden hat.
Wie gut hätte es unserem ganzen Land getan, wenn das Wort des Jahres 2005 nicht Bundeskanzlerin sondern Oberbürgermeisterin geheißen hätte. Ich denke dabei in erster Linie nicht an ihre Verdienste mit dem knappen Sieg im Stadtrat (26:23) zugunsten der (Mozart?)-Arkaden samt Bahnhofsbebauung und die Aufnahme der Fußball-Nationalmannschaft aus Ghana während der Fußballweltmeisterschaft – nein, weit gefehlt – ich denke viel mehr an ihren Vornamen Pia.
Es könnte sicherlich als schwergewichtiges Pendant zu dem Unwort des Jahres 2005 gelten, das mit einiger Verspätung erst in diesem Monat bekannt gegeben wird?. Pia – die weibliche Form von pius und das heißt: pflichtmäßig, fromm, gottesfürchtig, liebevoll und zärtlich – wobei wir fast schon wieder bei mozärtlich angekommen sind. Verfolgt man den Wortstamm pia weiter, dann führt er zu piabilis, sühnbar, oder piacularis – dann sind wir schon bei Sühne und Sühne heischend…
Das könnte in der Tat wirkmächtig dem Unwort des Jahres 2005 – wie immer es auch heißen mag – zuleibe rücken!
Wenn es nach den fränkischen Winzern ginge – so las ich in der hiesigen Lokalpresse – dann würde das Unwort des Jahres sicherlich im Zusammenhang mit dem neuen Weinhandelsabkommen zwischen den USA und der EU gefunden werden. Denn die Winzer fordern mit Recht, das in der Flasche das sein muss, was auf dem Etikett steht. Aber könnte der international anerkannte Kodex für reinen Wein nicht auch für uns alle gelten? Es ist doch untragbar, dass US-Designer-Weine mit Aromastoffen aufgemotzt, mit Wasser gestreckt und mit Säure frischer gemacht werden. Und vielleicht wird dann der Wein auch in seine Einzelteile zerlegt und nach Belieben in Patchwork-Manier in einer so genannten „Schleuderkegel Kolonne“ neu nach Belieben zusammengesetzt.
Wie schrecklich, wenn dies in Sachen Glauben ähnlich eingefordert werden würde: Jeder greift sich nur das heraus, was ihm passt und baut sich seine eigene Glaubenswelt zusammen. Dabei dürfte eine vertiefte Frömmigkeit dem Frankenland als weltberühmten Marienland nach dem Weltjugendtagsjahr 2005 gut anstehen!
Inzwischen erstrahlt der Dom – wenigstens zur Hälfte – in frischer Farbe. Das gemeinsam gefundene, leicht ockerfarben gebrochene Weiß gibt unserer Kathedrale nicht nur ein neues outfit, sondern lässt die Sinnmitte dieser Stadt wieder zur Geltung kommen. Wie schade, dass durch die vielen unmittelbar davor parkenden Autos nicht nur die nötige Respektzone fehlt, sondern auch durch Emissionen der Dom wieder so schnell verschmutzt.
Nun leben wir in einer sehr mobilen, reiselustigen Gesellschaft. Von Mozart wissen wir, „dass er von seiner 13.077 Tage währenden Lebenszeit 3720 Tage unterwegs gewesen ist: Das sind zehn Jahre, zwei Monate und acht Tage.“ (FAZ, 05.01.06, S. R1). Er reiste gerne, und manche Historiker und Musikwissenschaftler nehmen sogar an, dass ihn die am Rande gestreiften oder besuchten Kulturlandschaften und Städte zum Komponieren angeregt hätten.
Selbst unterwegs im holprigen Postwagen habe er komponiert. Wenngleich Mozart das viele Reisen liebte, so ist doch aus einem Brief des damals Zweiundzwanzigjährigen an seinen Vater zu entnehmen, dass dies mit Beschwerlichkeiten – zumal für das Gesäß – verbunden war. (Ich zitiere): „Da hat mich aber mein Arsch und das Jenige woran er henkt, so gebrennt, dass ich es ohnmöglich hätte aushalten können.“ (S.o.). Einen drive-in wollen wir auf keinen Fall im Dom einführen.
Sind Sie nicht vielmehr mit mir der Meinung, dass auch die gern gesehenen Würzburg-Besucher, ihr Hinterteil entlasten könnten, wenn sie ihr Gefährt vor den Toren der Stadt abstellten und die Errungenschaften des 20. und 21. Jahrhunderts – den in kurzen Abständen regelmäßig fahrenden leidlich ausgepolsterten shuttle-bus in Anspruch nehmen könnten, um ihr innerstädtisches Ziel bequem zu erreichen?
Über die Einschätzung der Musik mag man unterschiedlicher Meinung sein – die einen halten sie für „disziplinierten Lärm“ (Autor unbekannt), die anderen für eine „Philosophie ohne Begriffe“ (Hans Lohberger) und die dritten für „die Sprache der Engel“ (Thomas Carlyle) – aber Karl Barth war sich sicher: „Normalerweise wird im Himmel Bach gespielt. Wenn es dort aber feierlich zugehen soll, wenn Freude aufkommen soll, dann ist Mozart gefragt.“ (Zitiert nach Bischof Paul-Werner Scheele).
Wir dürfen uns also jetzt schon – eschatologisch ausgerichtet – auf die himmlische Musik freuen. Aber noch dürfen wir den irdischen Pilgerweg weitergehen – mit unserem neuen Papst Benedikt XVI., der Mozarts Klarinettenkonzert und Klarinettenquintett besonders liebt und von dem Kardinal Meisner einmal gesagt hat, dass er der Mozart unter den Theologen sei.
Noch darf ein Strahl des musikalischen Himmelglanzes in der landesweit beachteten Dommusik auf uns fallen, in der ebenfalls Mozarts missa brevis erklingt wie viele andere geistliche Musik aus seinem genialen Kompositionsreichtum.
Ja, Mozart überall. Alle spielen seine kleine Nachtmusik, aber wir rufen einander zu: Macht große Musik! Möge sie auch in diesem Mozart-Jahr zum Wohl aller Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt erklingen! Möge dabei auch das Theater und die Kultur insgesamt ihren Würzburg so auszeichnenden, angestammten Platz behalten.
Wie schön wäre es, wenn dann im Sommer auch noch die so hohe Wellen schlagende Fußballweltmeisterschaft auf ein Endspiel zwischen Ghana und Deutschland hinauslaufen würde und der Ruhm Würzburgs über die hier beherbergte Gastmannschaft weltweit verbreitet würde. Dann würde es sicherlich nicht nur den neu kreierten Benedictus-Wein sondern auch einen Würzburger Ghana-Tropfen geben.
Stoßen wir schon jetzt – unabhängig von dem Ausgang der Fußballweltmeisterschaft – auf das Wohl aller Anwesenden und aller uns Anvertrauten an. Ein gesegnetes und frohes 2006! Prosit!
Bischof Dr. Friedhelm Hofmann
(0406/0127; E-Mail voraus)