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„Im Abstieg vollzieht sich der Aufstieg“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Palmsonntag, 9. April 2006, im Würzburger Dom

Wer ist der König der Herrlichkeit?

Wir kennen unzählige Darstellungen des heutigen Festgeheimnisses: Jesus reitet auf einem jungen Esel in Jerusalem ein. Eine jubelnde Menschenschar mit Palmzweigen in den Händen begrüßt ihn. Man hört förmlich lautmalerisch das „Hosianna“ – „Hoch soll er leben!“

In vielen kirchlichen Museen stehen so genannte Palmesel auf hölzernen Rädern. Dort sitzt auf einem lebensgroß geschnitzten Esel eine segnende Christusfigur. Im Mittelalter kam wohl der Brauch auf, am Palmsonntag einen solchen Palmesel in der Prozession mitzuführen. Der Einzug Jesu in Jerusalem sollte so realistisch wie möglich verlebendigt und gegenwärtig gesetzt werden.

Der belgische Künstler James Ensor schuf 1888 ein riesiges Ölgemälde mit dem Titel „Einzug Christi in Brüssel“. Inmitten einer schrillen, eigenartig kostümierten Menge, bestückt mit grellen Plakaten, zieht Jesus unter dem Klamauk einer sich karnevalistisch gebärdenden Menge in Brüssel ein. Der Einzug Jesu Christi in unsere Zeit ein verhöhnendes Spektakel? Christus als einzelner gegenüber der Masse?

In unseren jährlichen Palmsonntagprozessionen lassen wir den Einzug Jesu in Jerusalem wieder aufleben. In Gebeten und Liedern, mit Buchsbaum oder Palmzweigen in den Händen, gedenken wir seines triumphalen Einzugs in die Gottesstadt Jerusalem. – Ist da das Bild von James Ensor nur eine Karikatur, eine Satire ohne Bezug zu unserer Realität? Oder ist dies sogar die eigentliche Realität unserer Zeit?

Wer kritisch den Einzug Jesu in Jerusalem betrachtet, bemerkt leicht, dass dieser Ritt auf einem jungen Esel sich sehr von den triumphalen Aufmärschen und Demonstrationen römischer Macht in jener Zeit unterscheidet.

Die Älteren unter uns erinnern sich noch an die nationalsozialistischen und kommunistischen Aufmärsche des vergangenen Jahrhunderts: Angsteinflößende Machtdemonstrationen führten die Durchsetzungsstärke dieser menschenverachtenden Regime vor Augen. Das war wohl so zu allen Zeiten.

Der Mensch gewordene Gott reitet dagegen auf einem Lasttier, das jeder dumme Junge anzutreiben verstand. Dennoch war es ein Tier, auf dem noch keiner gesessen hatte (Mk 11,2) – so wie später das Grab unberührt war, in das Jesus gelegt wurde (Joh 19,41).

Der „Triumph“ dieses Einzuges in Jerusalem fiel doch eher spärlich aus: ein paar auf die Straße gebreitete Kleider und von Büschen abgerissene Zweige als Verehrungsgeste (so bei Markus 11,1-10), ein paar Palmzweige in den Händen (so bei Johannes 12,12-16). Ein „Hosianna“, das schon nach wenigen Tagen in das „Kreuzige ihn“ überging.

Warum feiern wir denn jedes Jahr wieder den Palmsonntag als wichtiges Ereignis?

Weil sich in dieser demütigen Haltung Jesu der Weg seiner Menschwerdung und seines Erlösungsweges verdeutlicht: Aus der innergöttlichen Wirklichkeit steigt das göttliche Wort in die Niederung der Schöpfung, wird Mensch, nimmt die Gestalt seines eigenen Geschöpfes an. Keine prächtige Demonstration göttlicher Macht, kein imponierendes Gehabe richterlicher Gewalt, nein, ein demütiges sich an uns Verschenken, indem Gott unser Leben mit uns teilt.

Genauso ist der Kreuzweg ein Weg sich aufopfernder, verschenkender Liebe.

Das Paradoxon göttlicher Weisheit besteht darin, dass sich im Abstieg der Aufstieg, in der Erniedrigung die Erhöhung vollzieht, in der Verspottung die Verherrlichung, im Tod das Leben. Das feiern wir und das machen wir uns für unsere eigenen Lebensentscheidungen klar: Wer Christus nachfolgen will, der muss – wie ER – bereit sein, diese Handlungsweise Gottes auch als Richtschnur für das eigene Leben zu akzeptieren. Sind wir dazu wirklich bereit?

(1506/0583)