Würzburg (POW) Sonderpädagogen, Humangenetiker, Juristen, Theologen und Politiker haben bei der Fachtagung „Hauptsache gesund? – Elternschaft im Zeitalter der Pränataldiagnostik“ im Exerzitienhaus Himmelspforten ausführlich die Problematik der vorgeburtlichen Untersuchungen diskutiert. Die Veranstaltung des Familienbunds der Katholiken (FDK) im Bistum Würzburg am Samstag, 8. April, stand unter der Schirmherrschaft der Bayerischen Sozialministerin Christa Stewens. Mitveranstalter waren das Bayerische Sozialministerium und der Lehrstuhl Sonderpädagogik I der Universität Würzburg.
„Da sich werdende Eltern bei einer Fehlbildung häufig für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, ist Pränataldiagnostik Fluch und Segen zugleich: Sie schützt Gesundheit und Leben von Frau und Kind, und gleichzeitig bedroht sie diese.“ Das Grußwort der bayerischen Sozialministerin zeigte das Spannungsfeld auf von der Sorge um die Gesundheit der werdenden Mutter und ihres Kindes und gesellschaftlichem und eigenem Erwartungsdruck. Den Eltern von Kindern mit Behinderung stünden zwar keine besonderen Geldzuwendungen zu, aber ein breitgefächertes Spektrum von Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen, informierte Ministerialdirigentin Johanna Huber vom Bayerischen Sozialministerium. Angebote wie etwa Frühförderung, Kindertagesstätten, Heilpädagogik, Schulvorbereitung oder Angehörigenarbeit müssten jedoch auch in der Breite noch besser mit der Ärzteschaft vernetzt werden.
Um das christliche Tötungsverbot erfüllen zu können, seien diese sozialen Maßnahmen auch dringend erforderlich, unterstrich der Würzburger Moraltheologe Professor Dr. Stephan Ernst. Die Unterstützungssysteme stünden gemeinsam mit dem gesellschaftlichen Diskurs im Mittelpunkt der Diskussion um vorgeburtliche Untersuchungen. Die Aufgabe bestehe nicht darin, die christliche Position innerkirchlich zu kommunizieren, sondern die Forderung nach Lebensschutz in der Gesellschaft zu thematisieren. Gegenüber dem weitverbreiteten Nützlichkeitsdenken müsse das Tötungsverbot argumentativ nachvollziehbar vertreten werden. Seine Beurteilung weiter Kreise als christliche Binnenmoral ohne gesellschaftliche Relevanz müsse ersetzt werden durch gesellschaftliche Akzeptanz. Eine Beratung vor der Pränataldiagnostik müsse zur Normalität werden.
Ob sich Eltern für oder gegen ein behindertes Kind entscheiden, stehe meist schon lange vor der Pränataldiagnostik fest, erläuterte der Sonderpädagoge Dr. Wolfgang Lenhard von der Universität Würzburg. Entscheidend dafür seien einerseits ethische und religiöse Einstellungen und die Stabilität der Beziehung andererseits, die die Grundlage für die Annahme der Herausforderung darstelle. „Wir lieben unsere – behinderten – Kinder so, wie sie sind!“, sagte Hildegard Metzger vom Familienbund. Doch sei ein behindertes Kind immer eine Herausforderung, die Problematik könne nicht schöngeredet werden. Nun stellten sich Fragen wie „Hält die Partnerschaft das aus?“ und „Ist die soziale Solidarität tragfähig?“. Eltern hätten zunehmend Angst, dass das Unterstützungsnetz löchrig würde, sie brauchten eine verlässliche Politik. Gefragt sei Hilfe zur Selbsthilfe: „Ärzte müssen den Eltern kompetente Ansprechpartner nennen und sie nicht auf zehn Umwege schicken – dafür haben die Eltern nicht die Kraft!“
Der Humangenetiker Professor Dr. Wolfram Henn von der Genetischen Beratungsstelle am Institut für Humangenetik der Universität des Saarlandes forderte eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen. Ärzte müssten endlich einsehen, dass sich auch andere Fächer medizinischer Fragen annähmen. Fachvertreter müssten untereinander rotieren und hospitieren. In Fragen vorgeburtlicher Untersuchungen müsse jedoch die individuelle Haftung des Arztes für Fehler bleiben. Lediglich dann, wenn eine Schwangere Pränataldiagnostik ablehne, solle der Arzt von der Haftung freigestellt werden. Dazu sei jedoch eine umfassende und zeitintensive Beratung der Mutter mit Beratungsprotokoll unumgänglich. Eine Fünf-Minuten-Schein-Beratung entbinde den Arzt nicht von den Folgen unterbliebener Untersuchungen. In der Gesellschaft herrsche die Auffassung vor, dass eine vorhandene Technik auch eingesetzt werden müsse. Das sei bei der Pränataldiagnostik aber nicht unbedingt der Fall. Sie werde oft auch durchgeführt, weil sie weitaus besser bezahlt werde als eine kompetente Beratung. Auf rechtlicher Seite regte Henn eine Beschränkung der Untersuchungen auf das medizinisch Sinnvolle an sowie die Einführung von Pflichtberatungen. Ein Gendiagnostikgesetz – von den Grünen initiiert und von parteiübergreifendem Konsens getragen – sei spätestens 2008 zu erwarten.
Die Ergebnisse der Tagung werden vom Bayerischen Sozialministerium in einer eigenen Schrift publiziert. Interessante Einblicke in die Debatte um die Pränataldiagnostik gibt das Internetportal www.intakt.info des Familienbunds.
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