Münsterschwarzach (POW) Am Montag, 24. April, legt Dr. Fidelis Ruppert (68), seit 1982 Abt der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, sein Amt als Abt nieder. Die Wahl eines Nachfolgers durch die Klostergemeinschaft erfolgt am Freitagabend und Samstag, 19. und 20. Mai. In folgendem Interview blickt Abt Fidelis auf seine Amtszeit zurück und verrät Pläne seiner künftigen Zeit als Pater Fidelis.
POW: Abt Fidelis, am Montag, 24. April 2006, treten Sie als Abt von Münsterschwarzach zurück. Mit welchen Gefühlen geben Sie nach über 23 Jahren an der Spitze der Abtei ihr Amt ab?
Abt Dr. Fidelis Ruppert: Ich bin heute sehr dankbar für alles, was in diesen 23 Jahren möglich gewesen ist. Bei meinem Amtsantritt im Jahr 1982 hätte ich nicht geglaubt, dass in dieser Zeit so viel bewegt werden kann.
POW: Wie gestalten Sie den Tag Ihres Rücktritts?
Ruppert: Der 24. April ist mein Namenstag. Wir feiern den Namenstag immer am Vorabend in der Gemeinschaft. Das wird diesmal auch so sein – nur etwas feierlicher. Am Nachmittag des 24. April gibt es von 15.30 bis 18 Uhr einen offenen Empfang im Gästehaus. Hierzu können alle kommen, die „Auf Wiedersehen“ sagen wollen: unsere Angestellten, die Nachbarn, Leute, die mit der Abtei in Beziehung sind. Das Ganze endet mit der Vesper in der Abteikirche.
POW: Freude oder Wehmut: Was überwiegt beim Schritt in den neuen Lebensabschnitt?
Ruppert: Traurig bin ich nicht: Ich habe die Entscheidung zum Rücktritt ja selber getroffen. Ich fühle Erleichterung, dass ich dieses Amt, das auch eine Last gewesen ist, abgeben kann. Gleichzeitig bin ich dankbar für alle Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten konnte.
POW: Ihr Rücktritt soll neue Kräfte und Möglichkeiten freisetzen – in der Abtei und bei Ihnen selbst. Welche Kräfte sollen das sein?
Ruppert: Ich habe die Erfahrung gemacht: Immer wenn bei uns ein Amt neu besetzt wurde, gab es so etwas wie einen Energieschub. Der neue Mann hatte neue Ideen, brachte neuen Schwung und neuen Optimismus. Um ihn herum ist eine ganze Menge in Bewegung geraten. Das wird jetzt genauso sein. Durch die Neuwahl gibt es sicher eine Ämterverschiebung, so dass mehrere neu anfangen werden. Ich bin überzeugt, dass das auch sehr viele schlummernde Talente aufweckt und eine neue Dynamik entfacht. Man merkt das jetzt schon in der Gemeinschaft. Es freut mich, wenn viele sagen: Jetzt müssen wir noch mehr zusammenrücken und gemeinsam vorangehen.
POW: Blicken wir auf Ihr bisheriges Leben. Sie wurden 1938 in Plankstadt bei Heidelberg geboren und haben bereits als Kind den Vater im Krieg verloren. Wie prägend ist ein solcher Schicksalsschlag?
Ruppert: Es war eine sehr traumatische Erfahrung. Ich habe viele Jahre darunter gelitten. Doch der Verlust hatte auch eine positive Wirkung: Meine drei Brüder und ich, wir haben mit unserer Mutter sehr gut zusammengehalten. Wir hatten nicht viel Geld, mussten sehr viel arbeiten und sehr sparsam leben. Das hat uns geprägt. Gelegentlich hat uns die Mutter zum „Familienrat“ um den Küchentisch versammelt. Seither sind für mich Zusammenarbeit und gemeinsames Entscheiden etwas ganz Natürliches. Aber auch religiös haben mich die Jahre der Kindheit geprägt. Ich habe gemerkt, dass die Mutter aus der täglichen Messe die Kraft holt, und ich bin mitgegangen. Ganz selbstverständlich.
POW: Zunächst wollten Sie Technischer Zeichner lernen. Was hat Sie an diesem Beruf interessiert?
Ruppert: Eigentlich wollte ich das nicht. Aber am Ende der Volksschule 1952 gab es nur wenige Lehrstellen; die des Technischen Zeichners war gerade noch frei, und ich habe sie übernommen. Zu meiner Freude musste ich allerdings erst ein Jahr in einer Schreinerei Praktikum machen. Schreiner und Gärtner waren meine Traumberufe gewesen. Während dieser Lehrzeit wurde mir durch den Kontakt zum Kaplan und zum Pfarrer klar, dass ich Priester werden möchte. Der Pfarrer hat dafür gesorgt, dass ich einen Internatsplatz bekam, wo wir nichts bezahlen mussten, weil wir kein Geld hatten. Der Weg zum Studium und zum Priestertum wurde mir so ermöglicht.
POW: Welche Gründe bestimmten Ihre Entscheidung für das klösterliche Leben?
Ruppert: Ich wollte Missionar werden. Als Bub war ich eine Leseratte. Ich habe alles gelesen, was ich in die Hände bekam. Am liebsten habe ich Geschichten gelesen, die von weit her kommen, irgendwo aus fremden Ländern und aus der Mission. Das hat mich so fasziniert, dass ich gegen Ende meiner Schulzeit gemerkt habe, da zieht es mich hin. Dann kam ich Ostern 1958 zum ersten Mal nach Münsterschwarzach. Ja, und da ist es dann passiert: Das war Liebe auf den ersten Blick. Ich kam nicht mehr los.
POW: In Münsterschwarzach haben Sie zunächst die unruhigen 60er und 70er Jahre erlebt.
Ruppert: Diese Jahre waren sehr schwierig. Die jüngere und die ältere Generation prallten aufeinander. Alte und neue Ideen standen sich gegenüber. Das war oft sehr schmerzlich und konfliktgeladen. Aber gleichzeitig gab es vor allem in den 70er Jahren einen Aufbruch. Wir haben damals die Meditation entdeckt: erst die östliche Meditation, dann aber auch die christliche Meditation. In der alten Mönchs-tradition fanden wir neue Quellen. Wir befassten uns in den 70er Jahren auch mit gruppendynamischen Experimenten, was damals sehr suspekt war. Aber wir haben dadurch gelernt, wie man Probleme gemeinsam lösen und Konflikte konstruktiv angehen kann. So war diese Zeit auch der Beginn eines echten Aufbruchs.
POW: Sie waren Spiritual für die über 100 Brüder, dann drei Jahre Prior und schließlich wurden Sie 1982 zum Abt gewählt. Kam das Wahlergebnis für Sie überraschend?
Ruppert: Es wurde vorher gemunkelt, aber ich hatte keinerlei Ambitionen. Bis heute dränge ich mich nicht in Ämter. Wichtig war mir immer, eine sinnvolle Aufgabe zu übernehmen: sei es in der Pastoral oder in der Mission. Dazu braucht man kein Amt.
POW: Was hat Sie davon überzeugt, dass diese Aufgabe des Abtes die richtige für Sie ist?
Ruppert: Als plötzlich eine überwältigende Mehrheit die Stimme für mich abgab, sah ich darin den Willen Gottes. Ich habe gesagt: „Gut, wenn das so ist, dann übernehme ich dieses Amt. Ich erwarte aber auch, dass ihr mir helft.“
POW: 23. November 1982 – der Tag Ihrer Abtsweihe: Welche Gedanken verbinden Sie mit diesem Ereignis?
Ruppert: Das war ein sehr schönes Fest. Es waren unglaublich viele Leute gekommen. Ich hatte das Gefühl, es interessieren sich sehr viele Leute für uns und stehen hinter uns – man wird förmlich mitgetragen. Bis heute durfte ich erleben, dass sehr viele Leute mit uns gehen und das Kloster mittragen. In besonderer Erinnerung ist mir der Augenblick, als ich bei der Weihe auf dem Boden lag und die Allerheiligenlitanei über mich gesungen wurde. Da war mir klar, dass ich es nicht kann, aber dass es jemanden gibt, der das kann.
POW: Als 74. Abt von Münsterschwarzach blicken Sie auf eine lange Klostertradition. Welche Rolle spielt der Blick zurück?
Ruppert: Zunächst bekommt man ein wenig Angst, dass man in eine so riesige Tradition hinein gestellt wird. Auf der anderen Seite wissen wir aus unserer Geschichte, dass es ein ständiges Auf und Ab war. Das Kloster war ein paar Mal am Aussterben, wurde mehrmals aufgelöst und abgebrannt, und es gab immer wieder neue Anfänge. Diese Erfahrungen sind wie ein geheimer Schatz von Gottvertrauen.
POW: Gab es auch einen Tipp oder Rat Ihres Vorgängers?
Ruppert: Nein, Abt Bonifaz Vogel hat mir nur, was für mich sehr eindrucksvoll war, den Abtsstab übergeben und gesagt, ich solle mit diesem Stab die Brüder gut weiterleiten.
POW: Ihr Wahlspruch lautet „Ihr seid alle Brüder“. Wie konnten Sie dieses Motto in Ihrer Amtszeit umsetzen?
Ruppert: Ich habe dieses Wort aus Matthäus 23,8 gerade vor dem Hintergrund der schwierigen Situation aus den 60er und 70er Jahren gewählt. Was jetzt gebraucht wurde, war eine brüderliche Gemeinschaft, wo es nicht um Macht und Richtungskämpfe ging, sondern um ein fruchtbares Miteinander. Jeder muss Wertschätzung erfahren und ernst genommen werden, aber er wird auch in die Pflicht der Mitverantwortung genommen. Das war ein recht dynamischer Lernprozess für alle, auch für mich.
POW: „Der Abt als Arzt“ lautete der Titel einer Ihrer Vorträge. Wie kann ein Abt Arzt sein?
Ruppert: Das ist ein Bild, das der heilige Benedikt in seiner Regel benutzt. Unser Ordensgründer sagt, der Abt soll sich verhalten wie ein weiser Arzt, der Wunden zu heilen und zu verbinden hat. Damit meint er die Schwächen und Fehler der Brüder. Ich finde es sehr gut zu wissen, dass jeder von uns – der Abt eingeschlossen – seine Fehler und Schwächen hat. Die Frage ist, was wir tun, damit die Schwächen uns nicht dauernd ein Bein stellen, sondern wir gesünder werden. Das ist eine sehr spannende Aufgabe. Es ist mir auch klar geworden, dass der Abt selber seine Schwächen und Wunden hat, dass es selber gelegentlich Patient ist. Wie geht der Abt mit seinen eigenen Schwächen oder Verwundungen um? Das war für mich immer eine wichtige Frage.
POW: Was war Ihnen als Abt besonders wichtig im Gesamt der Klostergemeinschaft?
Ruppert: Das Zusammenspiel. Wie bei der Musik. Dass möglichst viele zusammenspielen, ganz verschiedene Typen, mit ganz verschiedenen Instrumenten. Das Kunststück ist dann, dass dieses Zusammenspiel einigermaßen gut klingt und selbst die Disharmonien noch einen Platz haben.
POW: Sie haben gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit „Kampfabstimmungen“ in der Abtei abgeschafft. Was muss sich ein Außenstehender darunter vorstellen?
Ruppert: Abgeschafft habe ich sie nicht, die waren nie eingeführt. Aber in den schwierigen Jahren kam es oft zu sehr problematischen Abstimmungen. Das hat mir nicht gefallen. Bei einer Kampfabstimmung bleiben immer Verletzungen zurück; es bleiben Minderheiten zurück, die unzufrieden sind. Das tut einer Gemeinschaft nicht gut. Ich wollte keine derartigen Abstimmungen, sondern wir reden so lange miteinander, bis wir kreative Kompromisse finden, wo möglichst viele zustimmen können. Denn wenn man als Gemeinschaft zusammenlebt, braucht es einvernehmliche Lösungen. Machtkämpfe zerstören.
POW: Wie gehen Sie mit Kritik der Mitbrüder um?
Ruppert: Es ist selten, dass ich direkt persönlich angegriffen werde. In unseren Sitzungen pflegen wir eine sehr offene Art der Aussprache. Dort kann jeder sagen, was ihm nicht passt. Der Vorteil solcher Gespräche in der Gruppe ist, dass man gemeinsam abwägen kann, was an der Kritik berechtigt ist. Kritik ist dann keine Verurteilung, sondern eine Hilfe.
POW: Sie haben neue Formen des klösterlichen Zusammenlebens entwickelt. Was war Ihnen dabei wichtig?
Ruppert: Wir haben etwas ganz Altmodisches wieder eingeführt. Benedikt sagt, wenn die Gemeinschaft größer ist, soll man Dekanien einrichten, das heißt kleine Gruppen von etwa zehn Leuten. Das war im Laufe der Tradition verloren gegangen. Wir haben mit dieser altbenediktinischen Einrichtung sehr gute Erfahrungen gemacht: Eine Gruppe von zehn trifft sich öfters, man spricht miteinander, feiert miteinander, diskutiert miteinander. Neuerdings gehen diese Gruppen manchmal ein paar Tage auswärts, gestalten gemeinsame Besinnungstage und tauschen geistliche Erfahrungen aus. Das ist eine ganz starke Bereicherung für die Gemeinschaft.
POW: Wie setzen sich diese Gruppen zusammen?
Ruppert: Wir haben ein Lossystem entwickelt, das für eine gute Verteilung sorgt und von den Mitbrüdern akzeptiert ist. Alle drei Jahre werden neue Gruppen gebildet.
POW: Kommt dadurch die große Gemeinschaft nicht zu kurz?
Ruppert: Die wichtige Frage ist natürlich immer: Wie stehen die Unterstrukturen mit der Gesamtstruktur in lebendiger Verbindung? Bisher hat das gut geklappt. Ebenso wichtig ist, dass jeder Einzelne seinen eigenen Weg gehen kann – dabei aber gut eingebettet ist in das Gesamt des Klosters.
POW: Eine besondere Aktion Ihrer Amtszeit war die Einladung ehemaliger Mönche nach Münsterschwarzach. Welche Bedeutung hatte dieses Treffen für die Abtei?
Ruppert: Wichtig war für uns die Vorbereitungsphase im Kloster. Wir haben monatelang vorher darüber gesprochen, wie es uns wohl ergehen wird, wenn Ehemalige wieder kommen, deren Weggang zum Teil mit Ärger und großen Enttäuschungen auf beiden Seiten verbunden war. Wir haben vor dem Treffen einen Versöhnungsgottesdienst gefeiert, um uns von innen her auszusöhnen. Das Treffen selbst war ein ganz großes Ereignis. Es kamen etwa 100 ehemalige Mitbrüder nach Münsterschwarzach. Dieser Tag hat auf beiden Seiten sehr viel Befreiung gebracht. Ehemalige Mitbrüder sagten mir später, dass sie seit dieser Zeit keine Albträume mehr haben. Dieses Angenommenwerden durch die Gemeinschaft hat befreit. Viele kommen seit dieser Zeit wieder regelmäßig, um uns zu besuchen.
POW: Hat sich dieses Treffen auch positiv auf die Klostergemeinschaft ausgewirkt?
Ruppert: Ja, wir haben uns damit ausgesöhnt, dass Mitbrüder uns enttäuscht haben und einfach gegangen sind. Wir haben versucht, sie loszulassen und ihnen den Austritt nicht nachzutragen. Das hat auch uns befreit.
POW: In Ihrer Amtszeit wurde das Recollectio-Haus errichtet. Welche Gründe haben zu dieser Entscheidung geführt? Wie bereichert oder auch belastet dieses Haus die Klostergemeinschaft?
Ruppert: Priester oder Ordensleute kamen immer schon zur Beratung zu uns – in Kursen, aber auch einzeln. Pater Anselm Grün hatte Kontakt mit Dr. Wunibald Müller, der damals in Freiburg eine Beratungsstelle für Priester und Ordensleute leitete. Uns wurde klar, dass für manche Priester oder Ordensleute in Krisen eine ambulante Beratung zu wenig ist. Sie bräuchten einen Ort, wo sie eine Zeit lang bleiben könnten. Nach langen Überlegungen wurde dann zusammen mit einigen Diözesen, darunter auch die Diözese Würzburg, dieses Projekt gestartet. Es hat sich bisher sehr bewährt.
POW: Wie ist die Abtei mit diesem Haus verbunden?
Ruppert: Wir wussten am Anfang nicht, ob Probleme entstehen würden. Aber das war nie der Fall. Einige Mitbrüder haben die geistliche Begleitung übernommen. Die Gäste des Recollectio-Hauses nehmen gelegentlich an unseren Gottesdiensten teil, arbeiten stundenweise in der Gärtnerei oder in Werkstätten mit.
POW: Die Abtei ist ein vielfältiger Wirtschaftsbetrieb. Hat ein Abt die Zeit, sich um alle Bereiche der Abtei zu kümmern?
Ruppert: Der Abt trägt die letzte Verantwortung. Aber wir haben eine gute Verwaltung mit hervorragenden Fachleuten. Ich habe viel Vertrauen in sie und lasse ihnen viel Freiheit. Es gibt aber regelmäßige Gespräche mit den Verantwortlichen und in Gruppen. Es geht mir vor allem darum, dass Wirtschaftliches und Monastisches nicht auseinanderdriften. Die Gespräche kosten viel Zeit, aber es lohnt sich.
POW: Welchen Wirtschaftsbetrieb Münsterschwarzach übergeben Sie Ihrem Nachfolger?
Ruppert: Ich denke, es läuft gut. Wir beschäftigen zirka 280 Frauen und Männer, alles sehr gute Mitarbeiter. Die Art, wie wir gewirtschaftet haben, ist gesund. Der Nachfolger kann zufrieden sein.
POW: Die Auseinandersetzungen um den Zenmeister Willigis Jäger forderten Sie in den vergangenen Jahren. Wie sehen Sie die Debatte um den Benediktinerpater im Rückblick?
Ruppert: Es freut mich, dass trotz der theologischen Unterschiede, die wir haben, die persönliche Beziehung zu Pater Willigis bis heute möglich ist. Pater Willigis kommt gelegentlich zu Besuch. Aber die Fragen, die er angestoßen hat, werden in Theologie und Öffentlichkeit erstaunlich wenig ernst genommen: die Auseinandersetzung mit den kontemplativen Wegen, mit der Mystik, mit den anderen Religionen. Und Menschen, die kontemplative Wege gehen oder sich mit Mystik befassen wollen, sind nach wie vor eher außerhalb der Kirche auf der Suche. Das ist sehr schade.
POW: Besuchen Sie auch mal den Benediktushof von Pater Willigis in Holzkirchen?
Ruppert: Ich war noch nicht dort, nein. Mitbrüder gehen manchmal hin, um Pater Willigis zu besuchen. Es sind persönliche Kontakte, aber wir halten dort keine Kurse. Diese unkomplizierten Kontakte haben viel entspannt.
POW: Zur Abtei gehört auch Pater Anselm Grün: Wie lebt eine Abtei mit so einem Bestseller-Autor?
Ruppert: Wir leben ganz gut damit. Pater Anselm spielt nicht den „Star“ oder Guru. Er ist in der Abtei sehr gut integriert. Er ist der Leiter der Verwaltung, leistet dort gute Arbeit und nimmt am Leben der Gemeinschaft teil, wenn er nur irgendwie kann. Das wird in der Gemeinschaft sehr positiv registriert.
POW: Sind Sie und Ihre Mitbrüder ein bisschen stolz auf Anselm Grün?
Ruppert: Was heißt stolz? Ich finde es gut, dass seine Bücher so vielen Menschen helfen. Das ist genau unser pastorales, missionarisches Anliegen. Mit Stolz hat das eigentlich nichts zu tun, sondern mit der Freude darüber, dass es Pater Anselm gelingt, viele Menschen anzusprechen.
POW: Ein Benediktiner 1982 und einer im Jahr 2006: Wie haben sich die Mönche in Ihrer Amtszeit verändert?
Ruppert: 1980 war das große Benedikt-Jubiläum: 1500 Jahre Benedikt. Nach den Krisen der 70er Jahre haben wir gemerkt, dass unser benediktinischer Entwurf zukunftsträchtig ist, und wir haben Hoffnung geschöpft. Inzwischen sind über 25 Jahre vergangen, und ich muss sagen: Unser benediktinischer Entwurf hat sich bewährt. Viele Menschen, auch viele junge Leute kommen zu uns ins Kloster, um von unserer Art zu leben und zu beten etwas zu lernen. Die benediktinische Lebensweise hat Zukunft.
POW: Wird Ordensleben heute wieder mehr akzeptiert als vor 25 Jahren?
Ruppert: Das kann man so sehen. Es kommen wesentlich mehr Menschen zu uns als zu Beginn der 80er Jahre.
POW: Ihre große Liebe gilt den Völkern der sogenannten Dritten Welt. Woher kommt dieses Interesse?
Ruppert: Solange ich zurückdenken kann, haben mich die Länder der „Dritten Welt“ fasziniert. Von den ersten Besuchen – 1973 in Korea und 1978 in Afrika – kam ich völlig fasziniert zurück; nicht nur, weil ich etwas Neues gesehen hatte, sondern weil ich merkte, wie mich die Begegnung mit den Völkern innerlich weit gemacht hatte. Wir brauchen die Begegnung mit anderen Kulturen, die ganz anders reagieren, die ganz andere Werte haben – gerade wir Europäer mit unserer etwas dekadenten Kultur.
POW: Ihre Vorliebe soll Peru gelten. Was fasziniert Sie an dem südamerikanischen Land?
Ruppert: Über Kunsthandwerker, deren Produkte wir in Münsterschwarzach im fairen Handel verkaufen, kam ich nach Peru. Die Begegnung mit den Indianern in den Anden hat mich unglaublich fasziniert. In dieser Bergwelt bin ich zu inneren religiösen Erfahrungen gekommen, die mich tief berührt und innerlich verwandelt haben. Ich habe darüber ein kleines Büchlein geschrieben, auf das ich sehr, sehr viele Reaktionen von Menschen bekommen habe, die etwas ähnliches erlebt haben.
POW: Welche Erfahrungen sind das, was kann man sich darunter vorstellen?
Ruppert: Es ging vor allem um Erfahrungen in der Natur. Plötzlich ging mir auf, wie groß und schön Gott ist und dass die ganze Schöpfung voll ist von Gott. Diese Erfahrungen wirken immer noch nach. Das Hinschauen ist oft schon wie ein Gebet.
POW: Haben diese Erfahrungen auch Ihr Amt geprägt?
Ruppert: Sicher. Diese Weite, die ich da erlebt habe, auch diese innere Weite, hat geholfen, vieles zu tragen, was schwierig und engbrüstig war.
POW: Was konnten Sie mit Ihren zahlreichen Reisen zu Missionaren erreichen?
Ruppert: Besuche sind für die Mitbrüder sehr wichtig, weil sie oft an einsamen Orten tätig sind. Sie freuen sich, wenn man kommt und Zeit für sie hat. Wir können über ihre Probleme sprechen und über die Zukunft nachdenken.
POW: Die Zahl der Missionare nimmt immer mehr ab. Geht die Zeit der weltweiten Missionsarbeit deutscher Ordensleute zu Ende?
Ruppert: Ja, wir haben zwar immer noch 45 meist ältere Missionare draußen, aber die Zeit geht zu Ende und kann auch zu Ende gehen. Wir haben geholfen, einheimischen Klerus aufzubauen und einheimische Klöster. Mission im alten Sinn gibt es nicht mehr. Wir arbeiten in den einheimischen Kirchen mit. Es geht viel stärker um Partnerschaft, wo man zwar hilft, aber einem auch viele Erfahrungen geschenkt werden. Zur Zeit schicken wir Brüder für einige Jahre nach Afrika, damit sie Neues lernen und den Blick weiten. Ich verspreche mir davon sehr viel. Beispielsweise wird ein Bruder im Sommer sein Theologiestudium in Nairobi/Kenia fortsetzen, um auch afrikanische Theologie kennen zu lernen. Wir hoffen, dass er mit ganz neuen Einsichten zurückkommt.
POW: 2005 waren Sie Berater bei der Weltbischofssynode zum Thema „Eucharistie“ in Rom. Konnten Sie bereits Ideen dieser Tätigkeit umsetzen?
Ruppert: Bei Vorträgen und Gesprächen in der Gemeinschaft ging es mir vor allem darum, die tiefere Dimension der Eucharistie neu zu entdecken. Was heißt das: Brot des Lebens oder Wort des Lebens zu kommunizieren, damit man wirklich davon leben kann? Wie geht das? Wir haben miteinander Spuren entdeckt, die wir weiter verfolgen werden.
POW: Was planen Sie als „Altabt“? Welche Kräfte und Erfahrungen wollen Sie künftig einbringen?
Ruppert: Ich habe nicht vor, den Altabt zu „spielen“. Schon das Wort halte ich nicht für gut. Wie Bischof Paul-Werner Scheele ja auch den „Altbischof“ nicht mag. Ich möchte als Pater Fidelis ins Glied zurücktreten und den Platz einnehmen, der mir aufgrund des Professalters zukommt. Das ist für mich sehr wichtig. Aus dem Amt gehen, heißt für mich: ganz aus dem Amt gehen. Was ich später tun werde, hängt vom Nachfolger ab. Ich werde dem neuen Abt unterstehen, wie jeder andere auch. Ich denke, ich kann meine Kompetenz von früher neu aufleben lassen. Ich habe viele Exerzitien und Meditationskurse gehalten. Das würde ich gerne wieder tun. Wir haben dafür große Gästehäuser. Ich möchte vor allem wieder verstärkt die alte Mönchstradition studieren, um sie für heute fruchtbar zu machen. Außerdem möchte ich meine Erfahrungen aus Afrika oder Peru besser verarbeiten und vermitteln können.
POW: Gibt es Hobbys, die Sie nach dem Rücktritt endlich verwirklichen können?
Ruppert: Ich lese und studiere gerne. Vor allem will ich geistliche Wege ausprobieren. Das habe ich schon immer gerne getan.
POW: Wo wird man Sie dann antreffen?
Ruppert: Ich werde, wenn der Nachfolger endgültig im Amt ist, für ein halbes Jahr nach Afrika gehen, um dort bei unseren Mitbrüdern einfach mitzuleben. Darauf freue ich mich sehr. Ich will Distanz bekommen und dem Nachfolger nicht im Wege stehen. Anschließend komme ich zurück und werde den Nachfolger fragen, wo ich gebraucht werde.
POW: Welchen Rat geben Sie Ihrem Nachfolger?
Ruppert: Ich habe nicht vor, ihm Ratschläge zu geben.
POW: Was wünschen Sie ihm?
Ruppert: Ich wünsche ihm, dass er ähnliche Erfahrungen machen darf wie ich: Diese brüderliche Gemeinschaft ist die Quelle, aus der wir leben.
POW: Was geben Sie den suchenden Menschen des 21. Jahrhunderts in unserem Land mit auf den Weg?
Ruppert: Es lohnt sich auch heute noch, Christ zu sein, katholisch zu sein. Es gibt in der Kirche viele Enttäuschungen, aber auch viele Oasen, wo man auftanken kann. Es lohnt sich, diese zu suchen. Wenn jemand nichts besseres findet, kann er ja einmal in Münsterschwarzach nachfragen.
(1606/0598)