Für die frommen Juden war und ist das Paschafest das entscheidende Heilsereignis. In Israel wurde es zusammen mit dem Fest der Ungesäuerten Brote zur Erinnerungsfeier an den Auszug aus Ägypten, der großen Liebestat Gottes an seinem Volk. „Für jede Generation wird das Ereignis der Befreiung aus der Knechtschaft neu gegenwärtig, wenn das geopferte Lamm gegessen wird. Und durch diese Erinnerung an die große Rettungstat Gottes am Anfang empfängt die Hoffnung auf ein noch größeres Heilsereignis neue Kraft.“ So können wir es im Schott-Messbuch für die Sonn- und Festtage (des Lesejahres B, S. 159) nachlesen.
In dieses Feiern, das die teilnehmenden Apostel aus ihrer jüdischen Tradition sehr gut kannten und verstanden, stiftet Jesus das Sakrament der Eucharistie ein. Gleich viermal wird von dieser Einsetzung des Allerheiligsten Altarsakraments in der Heiligen Schrift berichtet (Mt 26,26-28; Mk 14,22-24; Lk 22,19-20; 1 Kor 11,23-25).
Jesus führt die Apostel behutsam aber umfassend in die Feier seines Erlösungsleidens ein. Dabei greift er auf das schon im jährlichen Paschafest vorhandene Verständnis zurück, dass Gott in dieser Feier genau so Heil wirkt wie beim Auszug aus Ägypten.
Damals hat Gott sein Volk durch Moses und Aaron geführt. Er war tagsüber unter ihnen in der Wolke und nachts in der Feuersäule (vgl. Ex. 13,21ff.). Er führte sie trockenen Fußes durch das Meer (vgl. Ex 14,15ff.). Er sättigte sie während der Wüstenwanderung mit Wachteln und Manna vom Himmel (vgl. Ex. 16,13ff.) und stillte ihren Durst mit Wasser aus dem Felsen (vgl. Ex 17,5ff.). All dessen gedachte man bei der Paschafeier in Dankbarkeit und Freude. Über dieses Gedenken hinaus feierte man die Einsicht, dass Gott jetzt, während dieser Feier, genau so tatkräftig gegenwärtig sei, wie damals beim Auszug aus Ägypten.
Aber statt des Paschalammes, das geopfert wurde, machte sich Jesus selbst zum Opferlamm. Er erfüllte in seiner Person die Vorbilder und Verheißungen des Alten Bundes. Jetzt geht es nicht mehr um Schlachtopfer, jetzt geht es um die Hingabe des Mensch gewordenen Gottessohnes selbst! So gibt Jesus der Feier des Paschamahles einen neuen, endgültigen Sinn und setzt mit den eucharistischen Einführungsworten: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird … das ist mein Blut, das für euch vergossen wird… Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (vgl. z.B. die Tageslesung 1 Kor 11,24f.) seine bleibende Gegenwart in den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein ein.
Er sagt seinen mitfeiernden Jüngern geradezu: Ich sterbe für euch! Mit meinem Tod stifte ich einen neuen, diesmal aber ewigen Bund! Feiert dieses Opfermahl auch weiterhin, denn wenn ihr es tut, dann bin ich genau so unter euch gegenwärtig wie jetzt. Verkündet mein Sterben für euch bis zu meiner Wiederkunft!
Das bleibende Geschenk der Gegenwart Christi in seiner Kirche in Wein- und Brotsgestalt ist das Geheimnis des Glaubens, das wir in jeder heiligen Messe feiern und verkünden. Es ist die Kraftquelle, auf die wir nie verzichten dürfen.
Dies aber, liebe Schwestern und Brüder, ist das Vermächtnis Jesu Christi an uns, das uns auch hinein bindet in sein Opfer.
Zu Beginn der Abendmahlsfeier hat er die Fußwaschung gesetzt, um uns ein Beispiel zu geben, wie auch wir einander dienen sollen. Auch hier wieder zeigt sich, dass in der Erniedrigung die eigentliche Erhöhung stattfindet. Wer groß sein will, soll der Diener aller sein (Vgl. Mt 20,26 ). Seine Selbsthingabe im Tod am Kreuz nimmt er gleichsam schon in der Fußwaschung voraus. Darum ist dieses Geschehen auch für uns heute noch symbolträchtig und sprechend.
Aber es gibt sehr unterschiedliche Möglichkeiten die symbolische Fußwaschung in das eigene Leben zu integrieren. Mutter Teresa hat dies vorbildlich für unsere Zeit getan, indem sie sich mit der von ihr gegründeten Schwesterngemeinschaft den Ärmsten der Armen zuwendete. Darüber hinaus gibt es jedoch viele tausende Menschen, die es unerkannt und ganz im Verborgenen vollziehen:
– Da ist beispielsweise die junge Frau, die ihr Kind bekommt, obwohl die Ärzte zur Tötung raten. Sie ist bereit, alle Konsequenzen auf sich zu nehmen.
– Da ist der Mann zu nennen, der seine Arbeit schuldlos verloren hat und doch anderen bei der Bewerbung hilft.
– Da sind Mann oder Frau zu erwähnen, die über Jahre hinweg ehrenamtlich Kirche und Pfarrheim pflegen, weil kein Geld mehr für eine Entlohnung da ist.
– Da muss an die junge Frau erinnert werden, die trotz eigener Krebserkrankung sich der anderen krebskranken Kinder annimmt.
Diese Reihe kann schier endlos fortgesetzt werden. Worauf es ankommt, liebe Schwestern und Brüder, ist, dass wir unsere Möglichkeiten der „Fußwaschung“ erkennen und um der Liebe Christi willen auch wahrnehmen. Denn dann wirkt seine Lebenshingabe für uns nicht nur in seine eucharistische Gegenwart hinein, sondern in unsere Lebensgestaltung und unser Leben wird zum beredten Zeugnis für seine Liebe. Dann werden auch sein Leib und sein Blut für uns zur Speise, die ins ewige Leben führt.
Amen.
(1606/0590)